Rachel Joyce – Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry


Rachel Joyce ist eine britische Autorin. Vor ihrem hier diskutierten Debütroman schrieb sie Hörspiele für die BBC und wurde mehrfach ausgezeichnet. Als Joyce diesen Roman schrieb, lag ihr Vater gerade, wie die Protagonistin Queenie Hennessey, in einem Hospiz. Leider starb ihr Vater, bevor er das Buch lesen konnte. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in Gloucestershire.

Harold ist eigentlich ein sehr unauffälliger Mann. Er hat seinen Lebensabend erreicht, sein Alltag läuft in geregelten Bahnen, bis eines Tages ein Brief seiner alten Arbeitskollegin Queenie Hennessey auf seinem Frühstückstisch liegt. Queenie ist schwer krebskrank und wird wohl nicht mehr lange leben. Harold ist zunächst entsetzt und versucht, Queenie eine Beileidskarte zu schreiben. Doch irgendwie  scheint ihm das nicht genug. Da er aber dennoch irgendwie reagieren will, da Queenie ihm vor vielen Jahren einen großen Gefallen getan hat, schreibt er ein paar Zeilen und macht sich auf zum Briefkasten.

Dort angekommen, stellt er fest, dass es nichts schaden könnte, zum nächsten Briefkasten zu gehen. Die Bewegung tut ihm gut, sie leert seinen Kopf und beschwingt läuft er immer weiter, bis er den Ortsausgang erreicht und nach dem Gespräch mit einer Frau von der Tankstelle eine folgenschwere Entscheidung trifft. Er würde zu Queenie Hennessey laufen und ihr persönlich sein Beileid ausdrücken. Ohne die geeignete Ausrüstung, mit wenig Geld und einem paar Segelschuhen an den Füßen, beginnt Harold also eine Reise, die ihn quer durch das ganze Land führen wird.

 

Sein Zielort ist Berwick upon Tweed an der schottischen Grenze. Dort liegt das Hospiz, in dem Queenie im Sterben liegt. In Harold formt sich die Überzeugung, dass er, solange er nur immer weiter läuft, die sterbende Queenie am Leben erhält. Es ist eine ganz persönliche Reise, die ihn nicht nur ganz banal seinem Ziel, sondern auch sich selbst näher bringt. Er reflektiert die Beziehung zu seinem Sohn und wird teils geradezu von Erinnerungen an ihn überflutet, er reflektiert die Ehe mit seiner Frau, die viel mehr Zweckgemeinschaft zwischen beiden geworden ist. Während Harold läuft, räumt er sein Leben auf.

Ich glaube, dieses Buch ist für mich DAS Highlight des Frühjahrs. Harold wächst dem Leser sofort ans Herz, in seiner trotteligen und doch so idealistischen Art und Weise, mit seiner eigentlich gänzlich kindlichen Überzeugung, seine Freundin noch irgendwie vor dem Tod zu bewahren. Auf seiner Reise trifft er immer wieder Menschen, die an seinen Überzeugungen rütteln, ihn erschüttern, ihm helfen, ihn unterstützen – und ihn vereinnahmen, denn gen Ende ist Harold beinahe ein Star im ganzen Land. Jeder kennt den Mann, der gegen den Tod anläuft.  Und natürlich gibt es auch Menschen, die Kapital aus ihm zu schlagen versuchen. Ich könnte mich seitenlang über diesen wunderschönen und warmherzigen Roman auslassen, aber ich sage einfach: Lest ihn selbst, ihr werdet keine Minute bereuen!

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Ein Gedanke zu “Rachel Joyce – Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry

  1. Ein unvergesslich schönes Buch, warmherzig, witzit, traurig. Ich habe wirklich keine Minute bereut, gerne hätte ich noch stundenlange weiter gelesen, aber nach 378. Seiten war Schluss.

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